Dienstag, 18. Oktober 2011

Irre dich täglich…

(…oder: über die Tatsache, dass auch Pariserinnen manchmal in die falsche Metro steigen, blöderweise mit drei Österreicher/innen im Schlepptau, die deswegen zu spät zum nächsten Termin kommen, was wir nach einem langen und vollen Tag und einem Glas Champagner allerdings mit stoischer Gelassenheit hinnehmen).

Aber beginnen wir von vorne:

Wir verbringen den halben Tag in Créteil, einer kleinen Diözese süd-östlich von Paris. Die Bevölkerung dort ist ein Paradebeispiel für die Pariser Vororte: Menschen unterschiedlichster Gesellschaftsschichten und verschiedenster Nationen, Sprachen und Religionen aus Portugal, dem Maghreb (den ehemaligen französischen Kolonien in Nordafrika), den Kap Verdischen Inseln bzw. von den Antillen leben hier.

Im kleinen Ordinariat von Créteil tauschen wir uns mit der Èquipe Pastorale des Jeunes (dem Jugendpastoralteam) aus: Sandra Delaveau, Françoise Torquato (laic chargée, d.h. vom Bischof beauftragte Laiin), P. Yves-Arnaud Kirchhoff und Estelle Morvan (Aumônérie des Ètudiants – Studierendenseelsorge) erzählen uns von ihrer Situation, ihren Gedanken und Fragen zur Arbeit mit Jugendlichen und Jungen Erwachsenen – wir hören, staunen über Unterschiede aber auch über die Ähnlichkeit unserer Fragen, lachen viel, kommen auf dem Weg zum Mittagessen wieder einmal in den Genuss des französischen Autofahrstils…

…und machen uns schlussendlich wieder auf den Rückweg nach Paris, wo wir zum „Pot de départ“ von Inès eingeladen sind, einem „Abschieds-Umtrunk“, da Inès als Koordinatorin im Bereich der Jungen Erwachsenen Ende Oktober ihren Dienst in der Diözese Paris beendet. Wir hören die Würdigung ihrer Arbeit der letzten 10 Jahre, lernen einige unserer Gesprächspartner der nächsten Tage kennen (genießen ein Gläschen Champagner) und werden schließlich von einer netten Französin zu unserem nächsten Termin gelotst…

…wie gesagt mit dem Haken, dass wir schon eher spät dran sind, dann noch die Metro in die falsche Richtung nehmen… Aber was kann uns in dieser schönen Stadt schon erschüttern??

Das Treffen einer Gruppe Junger Erwachsener, die sich wöchentlich zum Glaubenskurs EVEN treffen, besuchen wir nur kurz – morgen Vormittag haben wir ein Gespräch mit dem Initiator dieses Kurses, der in Paris boomt – und beschließen unseren Tag müde mit einer letzten Busfahrt zurück Richtung Quartier.

EVEN

EVEN - neuartige Bildungsabende für Jugendliche
Der Abend beginnt um 20:30 mit einem Gebet, es folgt eine Hinführung zu einem Thema, Austausch in Kleingruppen, dann eine Katechese; der Abend schließt um 22.15 mit einem Gebet.

Der Priester erklärt uns, dass der Erfolg dieser wöchentlichen Abende, zu denen man sich verpflichtet (!) - dazu kommen noch gemeinsame Wochenenden - auch für ihn sehr überraschend ist.
Der Begriff des Tages begegnet uns auch hier:
de bouche à l'oreille - Mundpropaganda
Er sagt, er hat nicht viel Werbung gemacht, aber unter den Jugendlichen macht das die Runde: Da musst Du einfach hingehen! Auch wir waren erstaunt, dass der Saal so voll war und alle sehr aufmerksam zuhörten, als es um Passagen aus Gaudium et spes, Humanae Vitae oder Worte einer Ansprache von Johannes Paul II. ging.

So sieht kirchliche Werbung in Frankreich aus





Gebetsschulen
Geben & Empfangen - (freiwilliger Kirchenbeitrag)
Keine Einsamkeit in einem geschwisterlichen Frankreich
Einladung zum Jesus-Treffen für Kinder



Sandra, Francoise und Père Yves-Arnaud erklären uns, wie die Pastorale des jeunes so läuft - zur Veranschaulichung, wie das Weltjugendnachtreffen am vergangenen Samstag konzipiert war, siehe das originelle Schaubild.

Pastorale des jeunes - Venez comme vous êtes!


Rezept in der Jugendpastoral (18-35 Jahre alt):
Kommt wie Ihr seid!

Créteil



Paradise Now in Bochum


Es regnet und der Wind pfeift durch die Innenstadt von Bochum, doch das mindert unsere Unternehmungslust nicht im Geringsten.

In der Früh treffen wir uns zur Gerhard-Messe, die dienstags immer in der Propstei-Kirche stattfindet. Zelebriert wird die Messe von Pater Pietras vom ehemaligen Redemptoristen-Kloster gemeinsam mit Stefan äh István.
Danach kommt Pater Pietras mit uns ins Pfarrheim zu Michael Ludwig, wo wir Kaffee trinken und ganz wenig Kekse essen. Der Pater erzählt uns von den Redemptoristen, die das Kloster in Bochum geschlossen haben und nun in einem Seniorenkloster in Köln wohnen.

Wir gehen im Anschluss daran zum ehemaligen Stadtdechant, einem sehr faszinierenden und redegewandten älteren Herren, der in seinem „Un-Ruhestand“ überaus aktiv ist. Wir erfahren viel über die Strukturreform und bekommen einen Überblick über die pastorale Situation in Bochum. Er hätte „noch viel mehr zu erzählen gehabt“, allerdings läutet auch schon Michael Ludwig an der Tür und geht mit uns zurück zum Pfarrheim.

Dort treffen wir uns mit Norbert Düwel, dem Koordinator der Kunstkirche Christ König. Beste Laune und hervorragendes Mittagessen, dann weiter zu Fuß zu K.I.C.K (Kunst in Christ König). Dieses riesige Kirchengebäude aus den 1930er Jahren bietet seit 2010, als Essen Kulturhauptstadt Europas war, Raum für wechselnde Kunstprojekte. Einige faszinierende Projekte hat es schon gegeben: Sand rieselte vom Dach ins Kircheninnere, Bänke wurden wie Bäume im Kirchenraum aufgestellt, Psalmtexte groß auf den Fußboden geschrieben, Gewächshäuser in der Kirche aufgestellt….
Wir sehen heute Paradise Now: viele Künstler haben in der Größe eines Pappkartons das Paradies, so wie sie es sich vorstellen, gestaltet.

Am Abend fahren wir mit Michael Ludwig zur Autobahnkirche, wo die neuen Notfallseelsorger eingesetzt werden.

Auszüge aus einem Gespräch mit Inès, unserer Koordinatorin in Paris

Inès: Wir freuen uns sehr, das Trio aus Graz zu empfangen. Die Jugendlichen haben alle ein wenig denselben „Durst“ – Durst zu leben und der Liebe zu begegnen. In der Jugendpastoral in Paris versuchen wir, ihnen zu helfen, um ihnen zu zeigen, dass auf Christus zu schauen und Christus zu folgen eine unendliche Quelle der Liebe ist. Wir freuen uns über das Trio aus Graz, um gemeinsam nachzudenken.
 
gw: Was ist vom Weltjugendtreffen in Paris im Jahre 1997 geblieben?  

Inès: Weiße Haare ... (lacht) Ich denke, es war das erste Mal, dass man auf der Straße sagen konnte, dass man Christ ist. Das hat vielen Menschen Türen geöffnet. Heute ist das zu „alt“ – heute wissen die Leute nicht mehr, was das Weltjugendtreffen war – aber vor 20 Jahren waren alle auf dem Laufenden. Damals war vieles möglich – heute ist aufgrund der „Heiligen Laizität“ vieles wieder schwieriger.  

gw: In Frankreich gab es aber auch großes Interesse für den heurigen Weltjugendtag in Madrid – wie ist das möglich?
 
Inès: Weil es das einzige Event ist, das einem Jugendlichen im Alter von 18, 25 oder 30 Jahren erlaubt, mitten unter seinesgleichen zu sein, die sich dieselben Fragen stellen, die dasselbe leben, die in Treue leben wollen, es aber schwierig finden. Es ist die einzige Gelegenheit, in Christus so zahlreich vereint zu sein. Das ist magisch!