Mittwoch, 16. November 2011

Imperial College Chaplaincy





Das Imperial College London beherbergt neben einzelnen Kunst-Fakultäten vor allem naturwissenschaftliche Fakultäten (gegründet 1907; ca. 14.000 Vollzeit-Studierende; Betreuungsverhältnis von 12:1,1; Studierende kommen aus 125 Ländern; jährliche Studiengebühren ca. £ 9.000). Für die Hochschulseelsorger/innen ist es oft schwierig, mit den Studierenden in Kontakt zu kommen und ihr Fachgebiet mit dem Glauben zu verbinden. In den 60er und 70er Jahren war dies noch einfacher, da die Studierenden – inspiriert durch die Lateinamerikanische Befreiungstheologie und Basisgemeinden – in eigenen Häusern gewohnt und so kleine christliche Gemeinschaften gebildet haben. Als die Diözese begann, diese Häuser zurückzufordern und für eigene Zwecke benötigten, lösten sich auch diese kleinen Hausgemeinschaften auf und für die Hochschulseelsorge wurde es schwieriger den Glauben mit dem Studierendenalltag zu verknüpfen.




Andrew Willson (anglikanisch) und Rikke Juul (lutherisch)


Heute hat die anglikanische Hochschulseelsorge vor allem Kontakt zur Kunstfakultät (Art & Design). Zum Beispiel besucht der Hochschulseelsorger mit Kunststudierenden das nahe gelegene Victoria & Albert Museum, besichtigt dort Exponate zu speziellen Themen und diskutiert im Anschluss daran mit den Studenten über vorbereitete Fragen. Die Themen dieser Besuche können z.B. Tod, Bestattungskulte, Gebet, Hoffnung, uvm. sein.





Reflexion zum Thema Tod und Begräbnisriten nach dem Museumsrundgang


Der künstlerische Kontakt kann auch in umgekehrter Reihenfolge funktionieren. So hat z.B. eine Studentin ein Projekt gestaltet, in dem Menschen über ein LED-Band ihre Gebete in den Kirchenraum projizieren konnten. Für ein tieferes Verständnis des Gebetes, Altarraumes etc. hat die Studentin die Hochschulseelsorge aufgesucht und sich mit ihnen über theologische Aspekte unterhalten. Den Kontakt zu den Studierenden kann Andrew bei der offiziellen Einführung der Erstsemestrigen knüpfen, wo er vor allem Projekte von Studierenden vorstellt und dazu animiert, mit neuen Projektideen zur Chaplaincy zu kommen. Die Hochschulseelsorge organisiert selbst darüber hinaus kleine „Events“. So gibt es einmal pro Woche eine 15-minütige Meditation in Stille, Tee&Kaffee-Gespräche, Gespräche zum interreligiösen Dialog. Ferner hält die Hochschulseelsorge einmal im Jahr eine Gedenkfeier für alle Körperspender an die medizinische Fakultät. Von der medizinischen Fakultät kam die Anfrage an die Hochschulseelsorge, eine Einheit über Ethik und Religion in der Medizin abzuhalten (wie gehen die einzelnen Religionen mit Tod und dem dazugehörigen Recht um. Was muss z.B. beim Tod eines Muslims beachtet werden). Es gibt also auch auf der fachlichen Ebene eine Zusammenarbeit zwischen Hochschulseelsorge und Fakultäten. Auch auf persönlicher Ebene versucht Andrew in Kontakt zu bleiben, indem er Studierende und Lehrende an ihren Forschungsstätten besucht.



Besuch bei einem Lehrenden auf der technischen Fakultät








Beeindruckend fanden wir, dass die Angebote der Hochschulseelsorge nicht von hunderten Menschen, sondern nur von einer Handvoll Interessierter in Anspruch genommen werden. Trotzdem verzweifeln die Hochschulseelsorger nicht, sondern sehen ihre Arbeit auch als stellvertretenden Dienst für die Studenten. Wenn zur Stille-Meditation z.B. niemand kommt, dann meditieren nur die Hochschulseelsorger/innen alleine für die Studierenden.


Gemeinsames Mittagessen nach der katholischen Messe



Nach diesen Gesprächen mit den anglikanischen Hochschulseelsorgern besuchten wir das katholische Thomas-More-Studentenwohnheim.





Rikke Juul (lutherisch) Miguel Desjardins (röm.-kath)




Im More-House wohnen ca. 80 Student/innen, die neben Unterkunft auch Frühstück und Abendessen gemeinsam einnehmen. Die Studierenden genießen hier vor allem die Gemeinschaftsatmosphäre und die liturgischen und geistlichen Angebote (z.B. eigener Studierenden-Alpha-Kurs). Vom Studierendenwohnheim wird als dritte Säule des Zusammenlebens darüber hinaus noch Engagement eingefordert.



Unterhalten wird das Studierendenwohnheim durch die kath. Gemeinschaft „chemin neuf“, eine ökumenische christliche Gemeinschaft, die sich vor allem für die Einheit der Christen einsetzt und die Überwindung der Kirchentrennungen betet – nähere Infos dazu auf http://www.chemin-neuf.org/.


Die Chaplaincy wird von den Colleges als Serviceeinrichtung gesehen, die die religiösen Bedürfnisse der Studierenden ernst nimmt und sprachfähig macht. Möglich wurde diese Akzeptanz durch die Colleges hauptsächlich dadurch, dass die Chaplaincies eine hohe Kompetenz in allen möglichen Themen und Religionen haben und Netzwerke pflegen.



interreligiöser Gebetsraum

Auch die Mitarbeiter/innen in den Chaplaincies sind interreligiös; im Vorjahr arbeitete hier ein buddhistischer Mönch. Andrew setzte sich besonders dafür ein, dass das College einen interreligiösen Gebetsraum einrichtete. Colleges beteiligen sich an den Aufwendungen für die Chaplaincies finanziell oder indem sie Räumlichkeiten zur Verfügung stellen.

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