Donnerstag, 3. November 2011

3. November

Der heutige Tag begann mit einem Gespräch in sehr angenehmer und persönlicher Atmosphäre mit der evangelischen Pfarrerin Schwarzkopf, die wir zu uns ins Ursulinenkloster zum Frühstück einladen konnten.
Frau Pfarrerin Schwarzkopf zu Gast bei unserem Frühstück 

Nach einer kurzen Vorstellrunde, bei der uns Frau Schwarzkopf gleich sehr persönlich in ihre Lebensgeschichte „hineinschauen“ ließ, ging es bei diesem Frühstücksgespräch um eine Fülle verschiedener Themen. Drei davon sind mir in besonderer Erinnerung:

-   Zunächst „Klinikseelsorge“, da Frau Schwarzkopf als Seelsorgerin in einem großen privaten! Krankenhaus mit ca. 1.000 Betten arbeitet,
-   dann das „Kirchen-feeling“ vor und nach der Wende
-   und schließlich das Thema des Papstbesuches bzw. der Ökumene aus evangelischer Sicht.

In kurzen, aber sehr anschaulichen Worten skizzierte Frau Schwarzkopf, dass vor der Wende die Zugehörigkeit zur Kirche (ev. oder kath.) jedem das starke Gefühl gab, zu einer Opposition gegen einen Staat zu gehören, der von vielen abgelehnt wurde. Kirche sein war „durchtönt“ von einer  Atmosphäre berechtigten und mutigen „dagegen Seins“. Das hatte nach innen die Folge einer starken Zusammengehörigkeit. Der Wegfall des „gemeinsamen Feindbildes“ brachte auch eine Verunsicherung der eigenen Identität mit sich. Heute finden sich aus allen politischen Parteien Leute in der ev. Kirche. Die vielfache Erwartung, Kirche müsse zu gesellschaftlichen Fragen klarer Stellung beziehen, ist vielschichtiger und schwieriger geworden, da es bei jeder Positionierung auch interne Kritik aus irgendeiner Ecke gibt.

Vom Papstbesuch hätte sich Frau Schwarzkopf aus evangelischer Sicht mehr erwartet. Weil  die Erwartungen in der ev. Kirche groß, wenn auch nicht sehr konkret waren, so hätte ein Wort für eine hoffnungsvolle Zukunftsperspektive der Ökumene  ein Aufatmen gebracht. Offizielle gegenseitige Kommuniongemeinschaft und Anerkennung der ev. Kirche als „Kirche“ und nicht nur als „kirchliche Gemeinschaft“ in den römischen Dokumenten wären für Pfarrerin Schwarzkopf große Wünsche. Ansonsten sind für sie die Begegnung und die ökumenische Zusammenarbeit an der Basis wesentlicher als offizielle Stellungnahmen.

Mein bisheriger persönlicher Eindruck (M.Keil) von Ökumene in Thüringen war, dass das gegenseitige Kennenlernen, das interessierte aufeinander Zugehen und persönliche Kontakte auf allen Ebenen Felder sind, auf denen noch vieles fruchtbar zu machen wäre – vor allen schwierigen und kontroversen Fragen.

Nach dem Frühstück überreichte Silvia unserem Gast ein „Sonntagslicht“, und wir gingen mit dem Gefühl auseinander, durch dieses Gespräch gegenseitig beschenkt und bereichert worden zu sein.

Eine kleine Aufmerksamkeit für unsere Gesprächspartnerin: das Sonntagslicht

Am Vormittag wurde dann eifrig an den Berichten gearbeitet.

Zu Mittag gings dann zum Shoppen - schließlich wollen wir ja "Früchte" des Landes mit nach Hause bringen.
Nachdem wir schon einiges über die köstlichen thüringischen Wurstwaren gehört hatten, besuchten wir den „Bauernmarkt“, interviewten einen Marktfahrer, erfuhren etwas über die Wurstsorten Stracke und Gieker und dass man zur Blutwurst hier auch „tote Oma“sagt.

Sie möchten eine Stracke oder einen Gieker?















Bei mildem sonnigem Herbstwetter, das eigentlich zum draußen Sein einlud, trafen wir uns am frühen Nachmittag zunächst im Büro bei Frau Dr. A. Plachta, die uns über eine sehr inhaltlich orientierte und überaus effizient organisierte Kinderpastoral aller 5 Ostbistümer berichtete. „RKW“ ist das Kürzel für jenes Projekt, das uns staunen ließ und allen hier mit Kinderpastoral Beschäftigten das Herz höher schlagen lässt. RKW steht für „Religiöse Kinderwochen“, ein absolut heißer Tipp für unser Amt für Junge Kirche.

Frau Plachta erarbeitet Materialien für die Kinder- und Jugendpastoral
Während Silvia und Barbara sich noch weiter v.a. in ganz konkrete Materialen und ihren Einsatz in der Kinder- und Jugendpastoral vertieften – u.a. ein druckfrische Exemplar mit Geschichten zur Erstkommunionvorbereitung, besuchte Matthias die Leiterin der Abteilung für Finanzen, Frau Braun. Bereitwilligst wurde ihm Einblick über die Finanzgebarung der Diözese gewährt. Davon seien nur 2 Besonderheiten genannt:
-   Die Kirchensteuer ist ca. 3x so hoch wie unser Kirchenbeitrag.
-   Mit dem sogenannten „Strukturbeitrag“ werden die Ostdiözesen substantiell aus den Diözesen der alten Bundesländer unterstützt.
Die Bildung von pfarrlichen „Pflichtbaurücklagen“ und die Errichtung eines eigenen Pensionsfonds erinnern an Bemühungen auch bei uns.



Eine weitere spannende Begegnung bei allerdings schon abnehmender Konzentrationsfähigkeit war der Besuch am Campus der Universität Erfurt, wo die aus Wien stammende Frau Prof. Maria Widl, die Inhaberin des Lehrstuhles für Pastoraltheologie und Religionspädagogik, in einer schönen Villa ihr Institut hat. Angetan waren wir von ihrer Schilderung des ehrlichen und ernsthaften Miteinanders und Zusammenwirkens von Pastoraltheologie und Seelsorgeamt bzw. Bischof Wanke. Weiteres war ihr Blick durch die österreichische Brille auf die kirchliche Situation im Osten, die sie seit mittlerweilen 6 Jahren sehr gut kennt, und einige ihrer Wahrnehmungen und pointierten Interpretationen für uns äußerst aufschlussreich: „In Österreich sind die Atheisten getauft, hier nicht.“ „Die Kirche lebte hier in einer Gegenwelt, die Priester durch ihren starken Familienbezug nicht in einer Sonderwelt.“
Prof. Widl im Gespräch mit den Kundschaftern aus Graz
 Es war wieder ein bis oben angefüllter Tag, der uns am Abend reichlich Arbeit mit Berichte schreiben bescherte. Urlaub ist das hier wahrlich keiner, aber wir sind ja schließlich auch Kundschafter!

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